Ludwigslust

Im Herbst des Jahres 1800 finden wir Feldmayr im Mecklenburgischen Ludwigslust. In einem an die Herzogin Luise von Mecklenburg-Schwerin (1756-1808) gerichteten Schreiben bat er um eine Anstellung bei Hofe, ließ sich dabei aber auch über sein Engagement in Wallerstein aus 62:

„Durchlauchtigste Herzogin! Gnädigste Fürstin und Frau Frau!

Der seelige Capell Meister Rosetti war mein Schwager: ich bin beÿ der Fürstlich Oetting Wallersteinischen Capelle als Hof und Capell Sänger, /: als Tenoriste :/ angestellet: in den lezten Jahren aber, da der seelige C. Rosetti noch in Wallersteinischen Diensten stand, dirigierte ich schon beÿ der ersten Violine: Nach dem Austritt des seeligen Capellmeisters Rosetti aus dem Wallersteinischen Orchester, ernannte mich der Fürst zum Musik Director und Kamer Compositeur.

Im Jahre 1790 erhielt ich vom H. Capellmeister Rosetti aus Ludwigslust beiliegendes Schreiben nacher Wallerstein; der Fürst hörte, daß ich aus Ludwigslust einen Brief erhalten habe, und sogleich beÿ Androhung höchster Ungnade befahl er mir dieses Schreiben vorzuzeigen; – im ungestümsten Ausbruch des fürchterlichsten Zornes zerriß er den Brief, und warf die Stüke davon zu meinen Füßen! Euer Herzoglichen Durchlaucht übergebe unterthängist dieses Rosettische Schreiben an mich – im Originalle 63!!!

Durch die Kriegs Unruhen, die schon seit dem Monath Mertz dieses Jahres in Schwaben neuerdings wiederum angefangen hatten, bin ich gezwungen worden auf Reisen zu gehen: Der Fürst von Wallerstein ist seit einem halben Jahre emigriert, und das  Orchester  empfanget so  lange  die Kriegs  Unruhen  in  Schwaben  anhalten  und dauren nicht einen Groschen vom Salario!!! Ach! hart und unglüklich ist meine gegenwärtige Lage!!!

Demüthigst übergebe Euer Herzoglichen Durchlaucht von meiner Composition das neueste Werk, eine geistliche Cantate: die Worte sind lateinisch, ich habe noch nicht gelegenheit gehabt eine deutsche geistliche Cantate zu componieren 64. Ach! möchte Euer Herzogliche Durchlaucht mildest geruhen, mein musicalisches Werk mit höchster Huld und Gnade anzunehmen!!!

Es ist der erste und einzige Wunsch meiner Seele, und die größte und höchste Gnade wäre mir, wenn ich das unbeschreibliche Glück hätte, in die Herzogliche Dienste gnädigst an und aufgenohmen zu werden. Ich höre, das einige Herrn Kamer Musici aus der Herzoglichen Capelle /: besonders Violinisten :/ schon sehr auf Jahren sind; demüthigst bitte ich demnach – den gnädigsten Accep. – ohne ein gnädigstes exspectanz decret mildest mir angedeÿhen zu lassen.

Die hiesigen zwei Herrn Kamer Musici Sperger 65  und Hamer 66  kennen mich und mein  Talent  von  Wallerstein  aus:  unterthänigst  bitte  mich  und  meine  musicalische Talente zur production und gehör – gnädigst komen zu lassen!!! Die verwittibte Frau Capellmeisterin Rosetti /: meine Schwägerin :/ kann Euer Herzoglichen Durchlaucht von meiner Conduite und von meinem musicalischen Talente die reine Wahrheit /: ohn allem Interesse :/ unterthänigst darthun. Meines Alters zähle ich 38 Jahre, bin verheÿra- thet und habe 3 Kinder.

Daß Euer Herzoglichen Durchlaucht dieses mein demüthiges – schriftliches Bitten, mit höchster Huld und Gnade anzunehmen und zu begnadigen mildest geruhen wollen, bitte nocheinmallen unterthänigst, und ersterbe in tiefster Ehrfurcht.

Euer Herzoglichen Durchlaucht unterthänigst gehorsamster

Georg Feldmaÿer

Fürstlich Oetting Wallersteinischer Music Director, Hof und Capell Sänger und Kamer Compositeur.

Ludwigslust, den 3ten octobris 1800:“

 

Bei der Angabe seines Alters nahm es Feldmayr mit der Wahrheit nicht so genau. Er machte sich ganze sechs Jahre jünger als er zum Zeitpunkt des Gesuchs tatsächlich war. Sicherlich hoffte er, damit seine Chancen für eine Anstellung zu verbessern. Dagegen ist seine Behauptung, Rosettis Schwager zu sein, auch wenn sie aus heutiger Sicht etwas weit hergeholt erscheint, nach damaligem Wortverständnis durchaus zutreffend: Der Wallersteiner Adlerwirt Clemens Neher (* 1764), ein Bruder von Rosettis Ehefrau Rosina 67, hatte 1788 Josepha (* 1755), die ältere Schwester von Feldmayrs Ehefrau

Ein Taufeintrag für Rosina Neher, Rosettis spätere Ehefrau, fehlt zwar in der Monika, geheiratet. Als Trauzeugen fungierten die beiden Schwäger Rosetti und Feldmayr 68.

Bereits am 6. Oktober erhielt Feldmayr vier Louisdor für die dedizierte Kantate 69. Auf seine Bitte um Anstellung ging man hingegen mit keinem Wort ein. Am 22. Oktober „legte er nach“. Diesmal schrieb er an Herzog Friedrich Franz (1756-1837) 70:

 

„Durchlauchtigster Herzog

Gnädigster Fürst und Herr Herr!

Ich unterwinde mich Euer Herzoglichen Durchlaucht in tiefster Unterthänigkeit beÿgelegtes Te Deum laudamus, welches ich zur Kirchgangs Feÿer der Durchlauchtig- sten Erbprinzessin Kaÿserlichen Hoheit, in Musik gesetzet habe, unterthänigst zu Füßen zu legen, mit dem submißesten Wunsche, solches, wenn es Euer Herzoglichen Durch- laucht nicht müsfallen sollte, an dem glüklichen Kirchgangs Tage aufführen zu können. Ich schmeichle mir eines gnädigsten Wohlwollens und höchster Gnade, um so mehr, da ich mehrere Jahre ein College von Höchst Ihrem Capellmeister Rosetti war, und in seinem Geschmack zu schreiben mich bemüht habe, und ersterbe in tiefster Ehrfurcht

Euer Herzoglichen Durchlaucht Meines gnädigsten Fürsten und Herrn unterthänigst gehorsamster

Georg Feldmaÿer

Fürst. Oetting Wallersteinischer

Hof Sänger und Musik Director“

Für das überreichte Te Deum erhielt er am 31. Oktober weitere sechs Louisdor 71. Die Prinzessin Luise Charlotte (* 1779) war am 21. Oktober 1797 mit dem Erbprinzen des Hauses Sachsen-Gotha-Altenburg, Emil Leopold August (1772-1822), vermählt worden. Als sie nur wenige Monate später am 4. Januar 1801 nach der Geburt ihrer Tochter Luise starb, widmete Feldmayr, der sich offenbar noch immer in Ludwigslust aufhielt, dem Angedenken der Erbprinzessin eine „Trauer-Musik“, bei der es sich nicht um eine Neukomposition, sondern um eine um Klarinettenstimmen erweiterte Fassung seines um 1791 in Wallerstein entstandenen Requiems in c-Moll handelt 72.

 

62 Georg Feldmayr an Herzogin Luise von Mecklenburg-Schwerin, Ludwigslust, 3. Oktober 1800; Landeshauptarchiv Schwerin, 2.26-1, Großherzogliches Kabinett, Nr.10203.

63 Dass Feldmayr das zerfetzte Schreiben Rosettis zehn Jahre später seinem Brief an die Herzogin „im Originalle“ beigeben konnte, ist nicht recht glaubhaft; in den Beständen des Landeshauptarchivs Schwerin ist es jedenfalls nicht auffindbar.

64 Die Kantate scheint nicht erhalten zu sein.

65   Johannes  Matthias  Sperger  (1750-1812),  seit  1789  Kontrabassist  im  Dienst  des

Herzogs von Mecklenburg-Schwerin. Vgl. MGG, Bd. 11 (1965), Sp. 1031-1033.

66  Der in Oettingen (Bayern) geborene Cellist Franz Xaver Hammer (1741-1813) ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Wallersteiner Hofmusikdirektor (Anm.

54). Er stammt aber gleichwohl aus derselben weit verzweigten Rieser Musikerfamilie. Vgl. 2MGG, Personenteil, Bd. 8 (2002), Sp. 485 f.

67 Clemens Neher kam am 18. Mai 1764 in Wallerstein als Sohn von Johann und Maria Anna Neher zur Welt; Katholisches Pfarramt Wallerstein, Pfarrmatrikel 1750-1806, Taufen. Wallersteiner Pfarrmatrikel, der Heiratseintrag vom 28. Januar 1777 besagt aber, dass Rosina die Tochter von Johann und Maria Anna Neher war; Katholisches Pfarramt Wallerstein, Pfarrmatrikel 1750-1806, Hochzeiten.

68 Vgl. Anm. 57.

69 Empfangsbestätigung mit Feldmayrs Unterschrift vom 6. Oktober 1800; Landes- hauptarchiv Schwerin, 2.26-1, Großherzogliches Kabinett, Nr. 10203.

70 Feldmayr an Herzog Friedrich Franz I. von Mecklenburg-Schwerin, Ludwigslust, 22. Oktober 1800; Landeshauptarchiv Schwerin, 2.26-1, Großherzogliches Kabinett, Nr. 10203.

71 Empfangsbestätigung mit Feldmayrs Unterschrift vom 31. Oktober 1800; Landes- hauptarchiv Schwerin, 2.26-1, Großherzogliches Kabinett, Nr. 10203. – Ob das überreichte Te Deum mit dem Wallersteiner Te Deum von 1792 (Haberkamp, Anm. 46, S. 69) identisch war, kann nicht mehr geklärt werden, da das Ludwigsluster Exemplar nicht erhalten ist.

72 Otto Kade: Die Musikalien-Sammlung des Großherzoglich Mecklenburg-Schweriner Fürstenhauses aus den letzten zwei Jahrhunderten, Bd. 1. Schwerin, 1893, S. 260 f.; Haberkamp (Anm. 46), S. 67.

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